Ja zum Sozialhilfegesetz – ohne Freudensprünge

Es ist Wahlkampf! Darüber geht leider ab und an vergessen, dass auch Abstimmungskampf ist. Denn schon am 4. September wird das Zürcher Wahlvolk an die Urne gebeten. Besonders das Sozialhilfegesetz und der Gegenvorschlag von SVP, EDU und GLP sind von grosser Brisanz. Viele Nationalratskandidatinnen und Kandidaten touren zurzeit von Podium zu Podium. Nicht selten, ist das Sozialhilfegesetz Thema Nr.1. Auf den Podien werden harte Töne angeschlagen und im Publikum erhitzen sich die Gemüter. Doch was ist eigentlich Sache? Und weshalb herrscht in der Linken keine Einigkeit? Die JUSO hat letzten Sams

Das revidierte Sozialhilfegesetz strebt zwei grosse Neuerungen an. Erstens, wird eine massive Lockerung des Datenschutzes von Hilfe suchenden Menschen angestrebt. Menschen die Sozialhilfe beziehen wollen, müssen unter anderem künftig über die finanziellen Verhältnisse Dritter Auskunft geben. Zudem können Behörden Informationen über die hilfesuchende Person ohne deren Einwilligung einholen. Zweitens, werden vorläufig aufgenommene Personen neu der Sozialhilfe unterstellt anstatt wie bisher der Asylfürsorgeverordnung. Vorläufig aufgenommene Personen sind Menschen, die in der Schweiz einen negativen Asylentscheid erhalten haben. Die Lage in ihren Heimatländer (z.B. Krieg) oder eine medizinische Notlage lassen aber eine umgehende Rückkehr dieser Menschen nicht zu. Im Kanton Zürich handelt es sich etwa um 4000 Personen. Durch die Unterstellung unter das Sozialhilfegesetz würde die finanzielle Unterstützung dieser Menschen erheblich verbessert und ein vollständiger Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Bisher durften vorläufig aufgenommene Personen nur in bestimmten Branchen arbeiten. Dementsprechend liegt die Erwerbsquote mit 42,5% heute relativ tief. Trotzdem, es sind nicht 28%, wie es die SVP mit ihrer manipulierten Kalkulation vorgibt! Die neue Regel anerkennt die Tatsache, dass über 50% dieser Menschen länger als 7 Jahre in der Schweiz leben und deshalb beruflich und sozial integriert werden sollten.

Aus meiner Sicht präsentiert sich der Linken eine ziemlich missliche Ausgangslage. Es gibt eine positive Neuerung, die andernorts eine grobe negative Folge nach sich zieht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Gegenvorschlag die Verbesserungen für vorläufig aufgenommene Personen komplett ablehnt und nur die Lockerung des Datenschutzes will. Zur Missbrauchsbekämpfung versteht sich! Die Stadt Zürich verzeichnete 2010 ca. 50 Missbrauchsfälle, oder anders gesagt, 2,3 % aller Fälle. Wegen diesen 2,3% müssen die anderen 97,7 % eine massive Beschneidung ihrer Privatsphäre hinnehmen. Wir müssen uns grundsätzlich Fragen, ob diese Zahlen ein solches Vorgehen rechtfertigen! Und wir müssen uns fragen wie der Datenschutz und die Besserstellung der vorläufig aufgenommenen Personen gegeneinander abzuwägen sind! Die Bevölkerung ist zurzeit sehr auf Missbrauchsfälle sensibilisiert. (Un)dank der SVP und den Medien wird jeder Fall breitgetreten. Mit der Konsequenz, dass die Probleme zahlenmässig oft grösser empfunden werden, als sie es effektiv sind. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir in diesem Bereich Abstriche hinnehmen müssen, um glaubwürdig zu vertreten, dass auch wir gegen Missbräuche in der Sozialhilfe kämpfen.